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Vernetztes Potenzial

Vision einer möglichen Zukunft

Dr. Joël Luc Cachelin ist Ökonom und Zukunftsforscher. Der Gründer und Geschäftsführer der Wissensfabrik* widmet sich den Herausforderungen der digitalen Gesellschaft und arbeitet mit Losinger Marazzi zusammen.

In turbulenten Zeiten wie diesen gibt es zwei mögliche Kurskorrekturen, um zukünftigen Herausforderungen zu begegnen. Entweder wir kehren zum Alten zurück, oder wir streben noch konsequenter das Neue an, als wir es bereits jetzt tun. Das Alte verspricht vermeintliche Stabilität und Sicherheit. Eine Gesellschaft der klaren Strukturen mit Grenzen, Abteilungen, Hierarchien. Zölle, Zäune und Soldaten schützen die Ordnung. Das Neue hingegen interpretiert der Zukunftsforscher als eine Gesellschaft der technischen, sozialen und wirtschaftlichen Netzwerke. Dabei ist Vernetzung kein Selbstzweck. Vielmehr verspricht sie uns, unsere Potenziale besser nutzen zu können. Sie steigert die Fähigkeit, Wissen zu gewinnen und zu verteilen, stärkt unseren Erfindergeist und unterstützt unsere Hilfsbereitschaft.

 

GÜTER, MENSCHEN, DATEN UND IDEEN FLIESSEN LASSEN
Grundlegend für eine vernetzte Potenzialgesellschaft ist die Mobilität von Gütern, Menschen, Daten und Ideen. Denn Innovation ist immer eine Folge des Kombinierens – von Perspektiven, Geschichten, Gefühlen und Materialien. Deshalb ist eine hervorragende Infrastruktur für eine vernetzte Zukunft unverzichtbar. Doch sie verlangt neue Lösungen im Bereich Mobilität. Kombinierte Lösungen wie die Hyperlooptechnologie, LIFIs und Schnellzugstrecken zwischen Asien und Europa, in den USA und Südostasien. Die Infrastruktur reduziert ausserdem die Gefahr von destruktivem Widerstand. Denn der Zugang zum Wohlstand einer Gesellschaft und die gleichzeitige Sichtbarkeit in Parks, auf Plätzen und in Bahnhöfen fördert das gegenseitige Vertrauen. Ebenso wichtig sind Services, die den Alltag erleichtern und Zugang zu den Hilfsmitteln einer digitalen Gesellschaft verschaffen. Sie umfassen freie Medien, Informationsquellen, Suchmaschinen, Zugang zu künstlicher Intelligenz und einen persönlichen Datentresor.

 

AUS ECHOKAMMERN AUSBRECHEN
Zusammen leben heisst, sich kennenlernen, diskutieren, Spass haben, etwas unternehmen und erleben. Geteilte Lebenswelten relativieren die Grenzen unserer Echokammern. Sie befreien uns aus allzu personalisierten und von Algorithmen beeinflussten Situationen. Besonders wichtig für den Ausbruch sind zufällige Begegnungen mit dem Fremden: mit unbekannten Menschen und neuen Ideen. Folglich brauchen wir Wohn- und Arbeitskonzepte, die sich am Prinzip der Diversität orientieren, um diese Zufälle zu fördern. Monokulturen produzieren Einseitigkeit und Langeweile, statt unsere Fantasie und Neugierde zu wecken. Entsprechende Räume, Gewohnheiten und Veranstaltungen erlauben es uns, Ideen, Werte und selbstverständliche Ansichten kritisch zu hinterfragen, aber auch im Fremden das Gemeinsame zu entdecken. Mittagstische, gemeinsam gepflegte Tiere und Gärten oder auch Co-Working-Spaces in Bürogebäuden und Siedlungen sind mögliche Ansätze, um dies zu erreichen. Gut möglich, dass wir in Siedlungen, aber auch in Unternehmen neue Rollen wie die Hofnärrin benötigen, um uns zu inspirieren und zu irritieren.

 

DIE KAFKAESKE ARBEITSWELT HINTER UNS LASSEN
In den letzten Jahrzehnten ist eine kafkaeske Arbeitswelt entstanden, die das Prinzip der Arbeitsteilung auf die Spitze trieb. Doch wenn wir nach Innovation streben, werden Hierarchien, Abteilungen, Bürogebäude, Karrieren und Organisationsgrenzen zum Hindernis. Sie verhindern die Netzwerke, die das Neue hervorbringen. Informationen und Ideen fliessen nicht mehr frei. Überstrukturen dämpfen unsere Kreativität und rauben uns den Spass. Übermässiger Respekt verhindert Feedbacks und damit Lernprozesse. In einer Potenzialgesellschaft bilden die Arbeitsräumlichkeiten nicht mehr die Organisationsstruktur, sondern vielmehr unsere Tätigkeiten ab. Für Konzentration, Kollaboration und Kreativität gibt es entsprechende Räume. Folglich ist auch nicht mehr erkennbar, wer der CEO und wer der Praktikant ist. Die Überwindung der Arbeitsteilung bedeutet ebenso, die Aufteilung der Arbeit in Berufe, Organigramme und Stellenbeschreibungen zu überdenken. Sie sind nicht mehr geeignet, wenn wir vermehrt in Projekten arbeiten und sich Produkte, Technologien und Organisationsprinzipien durch immer kürzere Lebenszyklen auszeichnen.

 

* Die Wissensfabrik beleuchtet Szenarien, Chancen und Risiken der digitalen Transformation und bietet Studien, Workshops, Beratung sowie Projektmitarbeit an.

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